Rapid Protoyping: Wenn Fehlermachen besser ist
Viele Ingenieure lieben es, wenn ein Plan funktioniert. Leider funktionieren Pläne nicht so häufig, wie es uns 80er-Jahre-Action-Serien weismachen wollen. Deswegen haben Ingenieure das “Rapid Prototyping” erfunden: Wenig planen, viel machen. Die Vor- und Nachteile eines schnellen Prototyps haben nun Odin Holmes und Stephan Bökelmann auf Einladung der Technischen Hochschule Georg Agricola diskutiert.
Das Geschäftsführer-Duo der Auto-Intern GmbH folgte einer Einladung der THGA, die in regelmäßigen Talkrunden unter dem Titel “Starting@thga – we engineer ideas” Gründungswilligen bei Ideenfindung und -umsetzung unter die Arme greift. Den zahlreichen Teilnehmern und Teilnehmerinnen bot sich eine Stunde launiges Meinungs-Pingpong zum Thema. Aber fangen wir vorne an: Was ist eigentlich ein Prototyp?
“Es gibt unterschiedliche Definitionen dazu, was einen Prototypen ausmacht. Prototypen können funktional sein, die können visuell sein, aber auch gedanklich. Ein Prototyp kann das finale Produkt sein. Ein Prototypen muss nicht das finale Produkt sind. Ein Prototyp kann alle Eigenschaften eines Produktes vereinheitlichen. Ein Prototyp kann aber auch nur einen einzelnen Funktionsbaustein eines folgenden Produktes beinhalten. Prototyp ist eigentlich alles das, was kommt, bevor das Produkt fertig jetzt”, stiftet Stephan Bökelmann vielleicht noch ein paar mehr Fragezeichen, als schon vorhanden waren. Aber kurz gesagt: Ein Prototyp ist eine gute Diskussionsgrundlage, weil alle über denselben Ausgangspunkt reden können. “Wenn ich in die Runde frage, malt mal einen Baum, dann habe ich am Ende 15 verschiedene Bäume, egal, wie lange wir vorher über die Grundlage des Baumes reden und die Durchführung planen”, sagt Stephan.
Und für Ingenieure geht es halt nicht um ein schnödes Stück Grün, sondern um Physik. “Und hier hilft der Prototyp deutlich besser, um die Unstimmigkeit zwischen meinen Vorstellungen und den Gesetzen der Physik aus dem Weg zu räumen”, sagt Odin Holmes. Denn am Ende gewinnt die Physik immer.
Und hier ist der Prototyp, insbesondere der schnelle Prototyp den langen Diskussionen und Schätzungen einfach überlegen. “Iteration gewinnt immer gegen die Planung”; sagt Stephan Bökelmann. Die Vorgehensweise in China sei das passende Beispiel, dort sei das Rapid Prototyping perfektioniert worden: “Wenn ich die Chance habe, besser zu iterieren bin ich immer vor der Planung.” Denn wer beim ersten Mal Mist baut, weiß, was er beim zweiten Mal anders machen muss. Und beim dritten und vierten Mal. “Und wenn ich kurze Iterationsphasen habe, kann ich sechs Mal Mist produzieren und bin beim siebten Mal etwas richtig Gutes haben. Dann bin ich immer noch schneller, als wenn ich vor dem ersten Schuss viel Planungszeit investiere.” Das sei wie bei einem Loch, beschreibt Bökelmann. “Für ein Loch kann ich eine Bohrmaschine oder einen Hammer nehmen. Natürlich kann ich ein Miro-Board aufsetzen und die Vor- und Nachteile des Hammers und der Bohrmaschine vergleichen. Oder ich mache ein Loch. Und mache notfalls ein zweites.”
Rapid Prototyping vs. Planung: Es ist auch eine Preisfrage
Bevor man sich für ein Vorgehen entscheidet, muss sich der Ingenieur auch die Frage des Geldes stehen. Das Trial&Error-Prinzip ist beim Bau eines Atomkraftwerkes vielleicht unklug, hier schlägt die Erfahrung und sorgfältige Planung das Rapid Prototyping. “Aber wer eine Website oder einen Online-Shop an den Start bringt, ist mit dem Rapid Prototyping, A/B-Testing vermutlich besser dran”, sagt Odin Holmes. Auch, um eine Entwicklung zu zeigen. “Ein Investor schert sich nicht um deine Idee. Denn Ideen haben viele Leute.” Stephan und Odin haben als Gründer und als Begleiter von Gründern einige Start-Up-Ideen funktionieren und platzen sehen. “Investoren schauen deshalb immer auf die Entwicklung eines Gründers.” Planer seien hier grundsätzlich aufgeschmissen: “Willst du dem Investoren die 20 Seiten deines ersten Businessplans zeigen und dann den zweiten, um eine Entwicklung zu zeigen? Oder willst du ihm dein erstes Bauteil zeigen und dann dein drittes, viertes, fünftes, um deine Lernkurve zu zeigen?” Die Antwort liegt nahe.
Schnelle technische Entwicklung stützt Rapid Prototyping
Eine idealisierte Vorstellung des Rapid Prototypings ist ein 24-stündiger Iterations-Zyklus: Jeden Tag gibt es eine neue Version des Prototyps, bis die am Ende Produktionsreife erlangt. Als Stephan und Odin mit Entwicklung angefangen haben, war an gute und vor allen Dingen schnelle Prototypen aber nicht zu denken – die Technologie war einfach nicht so weit. Heute können Erfinder und Gründer deutlich schneller etwas handfestes in der Hand haben. Da sind zum einen 3D-Drucker, die es ermöglichen Bauteile innerhalb weniger Stunden in einer guten Qualität zu produzieren, “früher hat man darauf monate gewartet”, sagt Odin. Und auf Einzelstücke spezialisierte Unternehmen stellen Platinen innerhalb kürzester Zeit her. “Natürlich sind diese deutlich teurer als aus einer Massenproduktion und sicherlich nicht perfekt, aber Feinheiten interessieren noch nicht.”
Internet als Turbo für das Rapid Prototyping
Einer der Hauptantriebskräfte für Rapid Prototyping ist das Internet: Wer etwas bauen will, braucht Wissen. Wissen, das man sich früher irgendwo aneignen musste. Etwa an Hochschulen oder von erfahrenen Kollegen, die ähnliche Probleme schon mal gelöst haben. Wer dieses Wissen nicht hat(te) war vor dem Prototypenbau einfach aufgeschmissen. Wie soll man etwas bauen, wenn man nicht weiß wie? Früher musste der Ingenieur also viel nachdenken, aufschreiben, planen, wieder umschmeißen, bevor es ans Handwerk ging. Heute geht er dafür ins Internet. “Da gibt’s ne Website, die heißt quora.com”, verrät Stephan Bökelmann das vielleicht das bestgehütetste Geheimnis der angehenden Ingenieure. Bei Millionen angemeldeten Benutzern ist die Chance sehr gering, eine Frage nicht beantwortet zu bekommen. Stephan hat da mal eine sehr komplizierte Frage zu einer Daten-Bus-Anbindung gestellt. “Und es hat nicht lange gedauert, bis ich die Antwort hatte. Und zwar von einem Intel Lead Engineer, der an einem 8 86er mal einen Steuerbus gebaut hatte.” Es geht also nicht darum, auf alles vorbereitet zu sein, sondern zu wissen, wo man eine Antwort herbekommt.